Recyclingfähige Leiterplatten auf Papierbasis
Pressemitteilung vom 18. Juli 2023 - JOANNEUM RESEARCH
Die Messung des Blutzuckerspiegels auf der Haut, eine Verpackung mit integriertem Zeit-Temperatur-Indikator oder eine Grußkarte, die Musik abspielt – für all das braucht es elektronische Bauteile. Das sind Leiterplatten (PCBs) mit Elementen wie Sensoren, Chips, Kondensatoren und Widerständen. Diese Leiterplatten bestehen in der Regel aus einem Glasfaser-Polymer-Verbundmaterial mit Schaltkreisen auf Kupferbasis und unterschiedlichen anderen Metallen.
Von den zwölf Millionen Tonnen Elektroschrott, die in Europa jährlich anfallen, werden nur 42 Prozent ordnungsgemäß gesammelt und recycelt (Quelle: World Economic Forum), weltweit sind es nur 17 Prozent (Quelle: Global E-Waste Monitor 2020). Das EU-Projekt „CircEl-Paper“ verfolgt deshalb das Ziel, funktionelle Leiterplatten auf Basis von Papiertechnologie herzustellen, sodass die Elektronik am Ende ihrer Lebensdauer im herkömmlichen Papierrecyclingverfahren entsorgt und sogar recycelt werden kann. Dies könnte die Recyclingkosten verringern und die Rückgewinnung von wertvollen Materialien erleichtern.
Erforschung neuer Materialien und ihrer Kreislauffähigkeit
Am Institut MATERIALS wird an der Entwicklung geeigneter Materialien geforscht, denn das zellulose-basierte Substrat, das herkömmliche Leiterplatten ersetzen soll, muss den Ansprüchen der Elektronikindustrie gerecht werden. „Wir entwickeln Additive, also Hilfsstoffe, um das Papier stabil und kompatibel mit gängigen Integrationsprozessen zu machen und wir entwickeln Tinten zum Drucken von leitfähigen Leiterbahnen sowie passive Komponenten wie Kapazitäten, Widerstände und Isolatoren“, berichtet Oliver Werzer, Projektverantwortlicher am Institut. „Außerdem befassen wir uns mit skalierbaren Prozessen, welche ein Auftragen dieser neuartigen Materialien auf eine Leiterplatte aus Papier gestatten und eine rasche Anwendung in der Industrie ermöglichen. Dabei hat die Verwendung von ressourcenschonenden und umweltverträglichen Materialien und Prozessen höchste Priorität: Die verwendeten Materialien sollen die Trennung der Komponenten und deren Wiederverwertbarkeit erhöhen und es werden biobasierte Alternativen evaluiert.“
Die Forscher*innen am Institut LIFE nehmen die Kreislauffähigkeit der neu entwickelten Materialien unter die Lupe und evaluieren gesamtheitlich die Nachhaltigkeit der Herstellungsprozesse sowie der Wiederverwertung der eingesetzten Materialien mittels Lebenszyklusanalysen (LCA) – also von der „Wiege bis zur Bahre“ (Cradle to Grave). Dazu die Projektverantwortliche Sara Carniello: „Detaillierte LCA-Studien und die Bewertung der Kreislauffähigkeit sind für derart komplexe Technologien nicht Standard. Sie erfordern sowohl tiefgründiges Know-how über die Materialien und Technologien als auch eine Weiterentwicklung der Methodik, insbesondere für die Bewertung der Kreislauffähigkeit. Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit der verschiedenen im Rahmen des Projekts entwickelten Ansätze werden frühzeitig bewertet und vom Konsortium in der Auswahl und Weiterentwicklung der technologischen Optionen berücksichtigt.“
Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der papierbasierten Leiterplattentechnologie sollen anhand von drei Anwendungsfällen aus den Bereichen Medizin, Logistik und Unterhaltungselektronik demonstriert werden: Anhand eines Sensors zur Messung des Blutzuckerspiegels auf der Haut, einer Verpackung mit integriertem Zeit-Temperatur-Indikator und von Grußkarten, die Musik abspielen.
LIFE und MATERIALS sind Teil eines internationalen Konsortiums, das seit September 2022 am Projekt CircEl-Paper arbeitet und die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt.