dünne, weiße OLED in Glas, (c) Fraunhofer FEP
dünne, weiße OLED in Glas, (c) Fraunhofer FEP

WAS IST ORGANISCHE ELEKTRONIK?

Organische, flexible, gedruckte Elektronik ermöglicht die Herstellung neuartiger, flexibler und großflächiger Bauteile z.B. transparente Leuchtelemente, biegbare Displays, federleichte Photovoltaik, gedruckte Batterien.

Machen Sie sich vertraut mit den Grundbegriffen der organischen, flexiblen, gedruckten Elektronik und lernen Sie die wichtigsten Anwendungen kennen – der Einstieg in ein neues Zeitalter der Elektronik und wie wir sie wahrnehmen:

ORGANISCHE HALBLEITER

Zur Herstellung organischer Elektronik werden organische Halbleiter benötigt. Organisch ist in diesem Zusammenhang als chemisch organisch zu verstehen und grenzt sich somit durch die verwendeten Materialien von der konventionellen Elektronik ab Den Grundbaustein der Organik bildet Kohlenstoff, dessen einzigartige Strukturen ein ideales Fundament für halbleitende Moleküle, Polymere und Schichten darstellen.

Der Oberbegriff der organischen Chemie umfasst eine Vielzahl von Stoffklassen, die zu einem gewissen Teil mit Lebewesen assoziiert werden können. Sieht man einmal vom hohen Wasseranteil ab, bestehen wir – Menschen, Tiere, Pflanzen, Bakterien etc. – fast ausschließlich aus verschiedensten Kohlenwasserstoffen. Ebenso zählen leblose Stoffe wie Gummi, Plastik oder Benzin als organisch. Bedenkt man, wie verschieden die Aufgaben und Eigenschaften dieser Stoffe ausfallen, überrascht nicht, dass auch im Bereich der organischen Halbleiter die Anzahl der Möglichkeiten elektronischer Strukturen und Materialattribute schier unendlich erscheint.

ORGANISCHE SOLARZELLEN

Photovoltaik-Anlagen, die Sonnenlicht in elektrische Energie umwandeln, sind aus unserem Alltag und dem weltweiten Energiemix nicht mehr wegzudenken. Mit den typischen Silizium-Solarzellen verbinden wir jedoch auch eine ganz bestimmte Farbe, hohes Gewicht und damit verbundene aufwändige Befestigungssysteme. Organische Solarzellen zeigen sich in einem vollkommen anderen Licht und stellen konventionelle Solarpanele in den Schatten: Leicht, flexibel, transparent und in allen erdenklichen Farben ermöglicht organische Photovoltaik Stromgewinnung an völlig neuen Orten.

Organische Solarzellen werden als extrem dünne Schichten in Verfahren abgeschieden, die eine Rolle-zu-Rolle Produktion ermöglichen. Als einfachstes Beispiel dafür sei etwa eine Druckerpresse genannt. So kann ein sehr hoher Durchsatz erreicht werden, der sich wiederum positiv auf den Modulpreis auswirkt. Auch eine simple Montage und leichte Befestigung spielen dieser erstaunlichen Technologie preislich in die Karten. Zu guter Letzt ergibt sich mangels energieaufwändiger Kristallisationsverfahren, die man aus der konventionellen Photovoltaik-Herstellung kennt, eine sehr kurze Energierücklaufzeit von bloß wenigen Wochen bis Monaten.

ORGANISCHE LEUCHTDIODEN

Das mit Abstand am stärksten vermarktete organische Elektronikbauteil ist die organische Leuchtdiode, kurz “OLED”. Mittlerweile werden weltweit über 20% aller Handys aufgrund ihrer Sparsamkeit und brillianten Farbwiedergabe mit Aktiv-Matrix OLED (AMOLED) Displays ausgestattet. Gleichzeitig werden mehr und mehr Fernseher mit OLED-Schirm verkauft, die durch die Herstellungsart organischer Elektronik nicht nur extrem flach sondern auch gebogen verfügbar sind. Eine weitere Anwendung der OLED ist die flächige Beleuchtung. Hier kommen besonders das geringe Gewicht, die Flexibilität und selbst Transparenz der Module ins Spiel, welche freies Design jenseits der bisherigen Grenzen klassischer Leuchtelemente erlauben. Neben fantastischen Lichtinstallationen haben bisher vor allem Rücklichtkonzepte der Autohersteller Audi und BMW Aufsehen erregt.

Mit OLEDs können allerdings nicht nur High-End Anwendungen wie Fernseher und Auto-Beleuchtung umgesetzt werden. Auf Papier gedruckte OLEDs veredeln auch Produkte mit sehr kurzem Lebenszyklus wie Verpackungsmaterial oder etwa Visitenkarten. Eine stark erhöhte Sichtbarkeit bewirkt hier eine Vervielfachung des sonstigen Werts. Eine OLED Tapete, die das Wohnzimmer in ein angenehmes, flächiges Licht taucht, ist zwar im Baumarkt noch nicht erhältlich, jedoch prinzipiell möglich.

ORGANISCHE SENSOREN

Im Bereich der Sensorik eröffnen organische, flexible, großflächige Elektroniklösungen vollkommen neue Möglichkeiten. Von Photodetektoren im sichtbaren, infraroten oder sogar im Röntgenspektrum bis hin zu Gas-, Druck oder Temperatursensoren bestechen sie durch Funktion und Integration. Was zuvor in sperrigen Gehäusen verpackt blieb, kann nun in Textilien, in Papier oder Folie eingepasst werden. Schwere und teure Geräte – bespielsweise Nahinfrarotdetektoren – werden klein, leicht und kostengünstig, was Medizin- und Agrartechnik vollständig revolutionieren könnte.

In Zeiten der Digitalisierung und Vernetzung werden Miniaturisierung und Integrierbarkeit von Sensoren zu Kernaspekten ihrer Funktionalität. Druck- und Temperatursensoren auf Latexhandschuhen helfen bei chirurgischen Eingriffen, Nahinfrarotdetektoren auf Abdeckfolien messen den Reifegrad von Landwirtschaftserzeugnissen und Gasdetektoren auf Kleidung oder im Handy bestimmen die Luftzusammensetzung und warnen bei z. B. bei grenzüberschreitenden Stickoxidwerten. Organische Sensorik ermöglicht unsichtbare, unspürbare Funktionalität.

DÜNNSCHICHT-TRANSISTOREN

Der Transistor ist in unserer Welt allgegenwärtig und sehr viel zahlreicher als man häufig denkt. Lesen Sie diese Zeilen befinden sich in ihrem Umfeld mit hoher Wahrscheinlichkeit Milliarden von Transistoren. Die meisten davon sind zwar auf Computerchips zurückzuführen, doch jedes Display, jeder Sensor, jede noch so kleine logische Schaltung ist auf Transistoren angewiesen. Möchte man etwa flexible Displays oder Sensoren herstellen, so erkennt man schnell, dass die konventionelle Elektronik dies nicht abbilden kann. Organische Elektronik ist in der Lage einzelne Pixel eines verbiegbaren Displays anzusteuern, das Signal eines Sensors direkt zu verstärken, oder einfache Logikoperationen durchzuführen – alles mit organischen Transistoren.

Wenngleich organische Mikrochips in ihrer Rechenleistung ihren Gegenstücken der konventionellen Elektronik nicht das Wasser reichen können, bietet die Rolle-zu-Rolle Produktion von vergleichsweise einfachen Logikschaltkreisen andere bemerkenswerte Vorteile. Nicht nur Transistoren, sondern auch Dioden, Widerstände, Kapazitäten und Induktivitäten ermöglichen etwa den Bau von Schwingkreisen – den elementarsten Bausteinen drahtloser Kommunikation. Die kostengünstige Massenproduktion von Logik und Speichern in Zusammenhang mit Sensorik zur Integration in Verpackungen und Aufkleber ergeben einen nie dagewesenen Mehrwert durch individuelles Tracking von Stückgut sowie deren Umwelteinflüssen.

HERSTELLUNG ORGANISCHER BAUTEILE

Organische Elektronikbauteile bestehen größtenteils aus organischen Halbleitern. Dies sind zunächst Pulver oder kleine Kristalle, die chemisch synthetisiert und dann als extrem dünne Schichten auf verschiedenste Substrate aufgetragen werden. Es müssen keine großen Einkristalle gezogen oder Strukturen in Wafer geätzt werden. Die Pulver werden entweder gelöst und nass aufgetragen oder im Vakuum verdampft – Verfahren die eine Rolle-zu-Rolle Produktion zulassen. Die notwendige Strukturierung erfolgt in der Regel über Schattenmasken, Laserschnitte oder einen selektiven Auftrag während des Druckens.

Ob ein organischer Stoff nass, im Vakuum oder mit beiden Techniken abgeschieden werden kann, entscheidet seine chemische Struktur. Je größer und schwerer das Molekül, desto unwahrscheinlicher, dass es im Vakuum einsetzbar ist – daher spricht man bei Materialien zur Vakuumprozessierung auch von „kleinen Molekülen“. Große wie kleine Moleküle können nur nass abgeschieden werden, wenn sie die korrekten chemischen Gruppen besitzen, mit denen sie sich lösen. Es handelt sich bei diesen Stoffen meist um Polymere.

Sowohl Vakuum- wie auch Lösungsmittelprozessierung haben Vor- und Nachteile in ihrer praktischen Anwendung. So muss bei Abscheidung der Schichten im Vakuum natürlich erst die Luft aus der Anlage gepumpt werden, während die Abluft einer Flüssigprozessierungsanlage viele Lösungsmittel enthält und dementsprechent achtsam abgeführt werden muss. Zwar können in der Vakuumverdampfung soviele Schichten aufeinander gestapelt werden wie ein Bauteil erfordert ohne zuvor abgeschiedene Dünnfilme anzulösen, jedoch müssen Strukturen meist aufwändig per Schattenmasken oder Laser gesetzt werden statt diese im Druckverfahren direkt zu übernehmen. Während Logik und Sensorik heutzutage größtenteils über Lösungsmittelprozesse hergestellt wird, führt man die Abscheidung von OLED Displays ausschließlich im Vakuum durch. Bei organischen Solarzellen finden beide Prozessarten Anwendung.

FUNKTIONSWEISE

Organische Halbleitermoleküle nutzen die Struktur ihres Kohlenstoff-Rückgrats, welche ihnen einzigartige elektronische Eigenschaften verleiht. Diese bildet in einem wabenartigen Verbund ein sogenanntes ausgedehntes Pi-System, dessen Name von der chemischen Pi-Bindung zwischen Atomen herrührt. In diesem ausgedehnten Pi-System können sich Elektronen relativ frei bewegen – die Moleküle werden halbleitend. Um die Leitfähigkeit weiter zu erhöhen, werden kleine Moleküle zusätzlich dotiert. Hierzu benutzt man wiederum andere Moleküle, die in einer Mischschicht beider Materialien zusätzliche freie Ladungsträger bereitstellen.

Organische Bauelemente wie OLEDs oder organische Solarzellen werden als exzitonische Bauelemente bezeichnet. Wird zum Beispiel in einer Solarzelle ein Lichtteilchen absorbiert, so gerät ein organisches Molekül in einen angeregten Zustand. Dieser Zustand ist im Vergleich zu anorganischer Elektronik recht stabil und diffundiert durch den Schichtstapel indem er von Molekül zu Molekül hüpft – dies ist das namensgebende Exziton. Die Kontrolle dieser sogenannten quasi-Teilchen ist eine zentrale Aufgabe in allen organischen Bauelementen: In organischen Solarzellen müssen Exzitonen zu freien Ladungsträgern umgewandelt werden, um die Lichtenergie nutzbar zu machen. In OLEDs müssen sie dagegen möglichst effizient erzeugt werden. Nach einiger Zeit wird das Exziton instabil und sendet seine Energie in Form von Licht aus – die OLED leuchtet.